Ein problematischer Konsum von Alkohol ist auch im höheren Lebensalter keine Seltenheit. Rund ein Drittel entwickelt diesen erst im fortgeschrittenen Lebensalter – aufgrund der veränderten Lebenssituation im Ruhestand, der abnehmenden körperlichen Gesundheit oder dem verringerten Kontakt zu anderen Menschen.
In der Steiermark sind ca. 28.000 Menschen über 65 Jahren von einem Alkoholproblem betroffen. Aufgrund der demographischen Entwicklung ist anzunehmen, dass diese Zahl in den nächsten Jahren noch steigen wird.
Problematischer Alkohol- oder Medikamentenkonsum stellt auch Betreuungs- und Pflegekräfte vor Herausforderungen. Studien zeigen, dass ca. ein Siebtel aller Personen, die von ambulanten Pflegediensten und in stationären Einrichtungen betreut werden, entsprechende Problematiken aufweisen.
Dass auch ältere Menschen Alkohol problematisch konsumieren oder davon abhängig sind, ist ein gesellschaftliches Tabu. Die Fachtagung „Ein Glaserl in Ehren kann niemand verwehren?!“ beleuchtete Alkoholprävention im Alter. Rund 90 Fachleute aus Pflege, Medizin, psychiatrischer Gesundheitsversorgung, Prävention, Suchthilfe und Gesundheitsförderung informierten sich über Hintergründe und erarbeiteten Handlungsmöglichkeiten.
Im Alter gelten andere Gesetzmäßigkeiten, auch bezüglich Grenzmengen im Konsum von Alkohol. Präventive Angebote und Interventionen gilt es hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Lebensqualität älterer Menschen abzustimmen. Eine passende Balance zwischen Selbstbestimmung und Fürsorge ist dabei gefragt. Damit das gelingt, braucht es Vernetzung von möglichst vielen Akteur*innen, die ältere Menschen begleiten.
Fazit der Fachtagung: Vorbeugung kennt keine Altersgrenzen. Es ist nie zu spät für Prävention.
Vorträge und Workshops der Fachtagung „Ein Glaserl in Ehren kann niemand verwehren!?“ im Rückblick:
Sucht im Alter – Aktueller Stand und Perspektiven 2023
Prof.in Dr.in phil. Dipl.-Psych. Tanja Hoff
Katholische Hochschule NRW, Abt. Köln, Fachbereich Sozialwesen
Im Vortrag wurde auf aktuelle epidemiologische Erkenntnisse zu alkohol- und medikamentenbezogenen Suchtproblemen im Alter und insbesondere auf Herausforderungen in der Versorgung von Betroffenen eingegangen. Demografische Entwicklungen wurden dabei ebenso wie die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie in den Blick genommen. Aus verschiedenen Modellprojekten zum Themenkomplex wurden mögliche Entwicklungsansätze zur Verbesserung der Versorgung unter der Perspektive der Evidenzbasierung und Praktikabilität diskutiert.
Vorbeugung kennt keine Altersgrenzen: Warum sich Prävention von problematischem Alkohol- und Medikamentenkonsum auch im Alter lohnt
Domenic Schnoz lic. phil.
Radix Schweizerische Gesundheitsstiftung
Sucht kennt keine Altersgrenzen. Problematischer Alkohol- und Medikamentenkonsum führen beim Älterwerden häufig zum verfrühten Verlust der Selbstständigkeit, zu Krankheit und Leid. Des Weiteren ist Sucht im Alter ein stark tabuisiertes Thema, das oft mit großen Unsicherheiten verbunden ist – sowohl bei Fachpersonen, als auch Betroffenen. Die Ursachen für Suchterkrankungen im Altern sind auf verschiedenen Ebenen angesiedelt (gesellschaftlich, individuell, medizinisch). Aus präventiver Sicht bedarf es der altersspezifischen Minderung von Risikofaktoren, die eine Suchtentwicklung begünstigen sowie der Stärkung entsprechender Schutzfaktoren. Dabei spielen die Erhaltung bzw. die Verbesserung der Lebensqualität eine zentrale Rolle.
Erfahrungswerte aus dem Projekt „Gestärkt in die Pensionierung“
Domenic Schnoz lic. phil.
Radix Schweizerische Gesundheitsstiftung
Das Projekt „Gestärkt in die Pensionierung (2019-22)“ hatte das Ziel verfolgt, die Nutzung von altersgerecht aufgearbeiteten Informationen und Interventionen bei problematischem Alkohol- und Medikamentenkonsum voranzutreiben und für die ältere Bevölkerung einen breiten Zugang zur Sensibilisierung, zur Früherkennung und zur Frühintervention am Übergang zur Pensionierung zu eröffnen. Der Workshop lieferte einen Überblick über die Erfahrungswerte (Was lief gut? Wo ergaben sich Stolpersteine?) und bot Raum zur Diskussion.
Über Alkohol reden – aber wie?
Mag.a Martina Derbuch-Samek
VIVID – Fachstelle für Suchtprävention
Ältere Menschen, die Alkohol riskant konsumieren, benötigen angemessene Unterstützung um eine Entwicklung Richtung Abhängigkeit zu vermeiden. Motivational Interviewing als kooperativer Gesprächsstil bietet ein passendes Handwerkszeug, das die eigene Motivation von älteren Menschen für eine Veränderung erhöhen kann und gleichzeitig eine niedrig ausgeprägte Veränderungsbereitschaft nicht als Hindernisgrund sieht. In einem wertschätzenden Gesprächsklima werden Vor- und Nachteile einer Veränderung des Konsumverhaltens gemeinsam betrachtet und auf Basis dieser Reflexion mögliche erste Schritte einer Veränderung festgelegt.
Das körpereigene „Drogenlabor“ aktivieren – wie Lebenszufriedenheit im Alter gelingen kann
Mag.a Doris Lepolt
VIVID – Fachstelle für Suchtprävention
Es sind die elementaren Grundbedürfnisse nach Verbundenheit, Autonomie und Selbstwirksamkeit, deren Erfüllung den Menschen – unabhängig von dessen Alter – glücklich und zufrieden machen. Ältere Menschen wollen sich weiterhin wertvoll fühlen, Verbundenheit in Gemeinschaft erleben, und aus einer Sinnperspektive Kraft schöpfen. Werden diese Grundbedürfnisse nicht adäquat erfüllt, kann der Konsum von Alkohol oder die Einnahme von Medikamenten oft die Funktion als Seelentröster einnehmen. Fehlt zudem der Lebenssinn, dann fehlt auch eine solide Basis für präventive Bemühungen um die Gesundheit älterer Menschen. Im Workshop wurden Möglichkeiten aufgezeigt, konstruktiv und sinnorientiert die Lebenszufriedenheit von älteren Menschen zu fördern.
Umgang mit Personen mit substanzbezogener Abhängigkeit in der Pflege – Vorstellung der Wiener Handlungsleitlinien
DSA Dipl.-Päd. Georg Preitler
Institut für Suchtprävention der Sucht- und Drogenkoordination Wien
Vor rund zehn Jahren wurde in Wien damit begonnen Handlungsleitlinien zum Umgang mit Personen mit Suchterkrankungen/Abhängigkeit von Substanzen für die mobilen Pflege- und Betreuungsdienste sowie für Wohn- und Pflegeeinrichtungen in multiprofessionell besetzten Arbeitsgruppen zu entwickeln und laufend zu adaptieren. Durch die erfolgreiche und kontinuierliche Kooperation zwischen der Sucht- und Drogenkoordination Wien und dem Dachverband Wiener Sozialeinrichtungen ist es gelungen, Mitarbeiter*innen in den Pflege- und Betreuungsorganisationen für die komplexe Thematik zu sensibilisieren. Gleichzeitig wird im Sinne der integrierten Versorgung auch ein „Handwerkszeug“ zur Verfügung gestellt, um Menschen in ihrer Suchterkrankung abzuholen und zu begegnen.
Vom Stigma zur Chance – Umgang mit Alkoholproblemen in der mobilen Betreuung
Sabine Prinz
Soziale Dienste der Adventmission Wien
Am Beispiel des Projektes „Sucht ist eine Erkrankung“ der Sozialen Dienste der Adventmission wird darauf eingegangen, wie sich die Sichtweise von Mitarbeiter*innen verändert hat: weg von Verweigerung, hin zu Toleranz. Der Workshop beleuchtete, wie mit dem schwierigen Thema Alkoholabhängigkeit im mobilen Bereich umgegangen wird und welchen Benefit sowohl Mitarbeiter*innen als auch Kund*innen davon haben.