Pornografie zählt zu den Formen von Suchtverhalten im Internet. Von Online-Pornografie kann man dementsprechend abhängig werden. Man spricht dann von der sogenannten „Online-Pornografie-Nutzungsstörung“. Wo „normale“ Nutzung endet und wo Abhängigkeit beginnt, ist schwer zu definieren und steht am Beginn der Erforschung.
Aber wo ist die Grenze? Häufig Sexualität auszuleben ist noch kein Hinweis auf ein pathologisches Verhalten. Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen stellt in ihrem „Jahrbuch Sucht 2024“ fest: Bei der Online-Pornografie-Nutzungsstörung besteht das Problemverhalten in exzessivem und unkontrolliertem Konsumieren von pornografischen Videos und Bildern. Betroffene verspüren einen sehr starken Drang nach pornografischem Material. Sie können die Dauer und Häufigkeit des Konsums nicht mehr kontrollieren.
Laut Diagnose-Manual ICD-11 ist eine zwanghafte sexuelle Verhaltensstörung nur dann vorhanden, wenn die sexuellen Aktivitäten so sehr in den Mittelpunkt des Lebens rücken, dass andere Lebensbereiche vernachlässigt werden, wenn ausgeprägter Leidensdruck vorliegt und auch zahlreiche Bemühungen zur Reduktion sexueller Aktivität erfolglos bleiben. Der betroffene Mensch hat im Fall einer vorliegenden Sucht nicht mehr die Möglichkeit, sein Sexualverhalten zu kontrollieren.
Häufig Gefühle von Schuld und Scham
Liegt ein Suchtverhalten vor, so führt die praktizierte Sexualität darüber hinaus nicht oder nur kurzfristig zu Entspannung und Wohlgefühl. Auf der Suche nach diesem Wohlgefühl steigt oft die Häufigkeit des Konsums von Pornos. Befriedigende Gefühle bleiben aber weiterhin aus. Es gibt Hinweise darauf, dass erhöhter Konsum von Pornos zu einer geringeren Wirkung des Belohnungssystems im Gehirn führt: Das Gehirn gewöhnt sich gewissermaßen an die starken sexuellen Reize.
So sind Frequenzen von mehrmals täglich möglich, die zwar in körperlicher Erschöpfung, jedoch mit wenig oder ohne sexuelle Befriedigung enden. Dies wird oft als zwanghaft erlebt.
Betroffene haben oft starke Schuld- und Schamgefühle über ihr suchtbedingtes Verhalten. Typisch ist auch das Gedankenkreisen um sexuelle Inhalte, was von Betroffenen dann wiederum negativ bewertet werden. Dies kann zu erneuter Selbstabwertung beitragen.
Sexsucht wird stark im Internet ausgelebt
Sexsucht wird heute vermehrt im Internet ausgelebt. Bereits im Jahr 2015 gaben laut Statista 43 Prozent der weltweiten Internet-Nutzer*innen an, pornografische Seiten zu nutzen. 70 Prozent der pornografischen Inhalte wurden werktags zwischen 9 und 17 Uhr heruntergeladen.
Im Unterschied zu Pornografie mit physischer Anwesenheit ist Online-Pornografie im Internet leichter verfügbar. Ein Zugang zum Internet reicht, um zeit- und ortsunabhängig Pornografie konsumieren zu können. Dies führt zu mehr Gelegenheiten und kann Menschen mit einer Neigung zu Sexsucht zusätzlich triggern.
Weltweit macht Online-Pornografie einen beträchtlichen Teil des Datenvolumens im Internet aus: So war im Jahr 2018 laut The Shift Project mit 27 Prozent mehr als ein Viertel des weltweiten Datenvolumens durch Online-Pornografie verursacht.
189 Millionen Menschen suchten im Jahr 2023 laut Semrush monatlich auf Google nach „Pornhub“, der größten Porno-Plattform. Das war nur übertroffen von der Suche nach „Youtube“ und „Facebook“.
Weltweit lag diese führende Pornografie-Plattform im Juli 2024 mit 5,39 Milliarden Aufrufen auf dem siebenten Rang, in Österreich mit über 26 Millionen Aufrufen auf Platz 14. Unter den Adult-Seiten ist Pornhub die unbestrittene Nummer eins.
Oft unfreiwilliger Erstkontakt bei Jugendlichen
Der Jugendschutz vor Online-Pornografie ist nicht ausreichend. Üblicherweise wird auf den Websiten abgefragt, ob man schon 18 Jahre alt ist. Diese Selbst-Angabe wird von keiner neutralen Stelle kontrolliert. Somit kann der Jugendschutz leicht umgangen werden.
Gerade für Heranwachsende ist dies sensibel. Eine Befragung aus Deutschland zeigt, dass rund ein Drittel der 14-Jährigen bereits pornografische Inhalte im Internet gesehen hat. Bei rund der Hälfte der Befragten erfolgte der Erstkontakt mit Pornografie gewollt, bei rund der anderen Hälfte jedoch ungewollt – etwa durch Zufallsfunde beim Surfen im Internet oder durch Gruppendruck. So findet der Erstkontakt mit Online-Pornografie überdurchschnittlich häufig „ungewollt“ statt, wenn drei oder mehr Personen anwesend sind.
Unrealistische Körper
Die Bilder und die Körper, die in Online-Pornografie gezeigt werden, entsprechen oft nicht der Realität. Es wird mit Materialien, Kamera-Einstellungen, Nachbearbeitungen und sonstigen Inszenierungen gearbeitet. Pornos zeigen gespielte Fantasien, nicht die Wirklichkeit. Häufig kommt auch Gewalt und Unterwerfung darin vor.
Gerade bei Jugendlichen und sexuell unerfahrenen Menschen kann dadurch der Druck entstehen, sexuelle Handlungen müssten so wie dargestellt ablaufen, so und nicht anders wäre es „normal“. Auch der Druck auf Körperideale kann durch Pornografie steigen. Die unrealistischen Bilder können den Glauben fördern, dass man bis in intime Körperregionen einem bestimmten Schönheitsideal entsprechen muss, um begehrenswert zu sein.
In der Prävention ist es daher auch wichtig, auf die unrealistische Inszenierung von Online-Pornografie hinzuweisen. Prävention fördert einen kritischen Umgang mit Online-Pornografie und stärkt einen positiven Zugang zum eigenen Körper.
Die Organisation „Return – Fachstelle für Mediensucht“ hat für Jugendliche eine eigene Broschüre über Online-Pornografie herausgegeben. Unter dem Titel „„XXX – Return to love“ hilft sie Jugendlichen bei einer ehrlichen Auseinandersetzung mit ihren Fragen zu Pornografie, Liebe, Sex und Beziehung und fordert sie heraus, gesunde Grenzen zu setzen.
Außer Online-Pornografie zählen auch Computerspiele, Online-Glücksspiel, soziale Medien und Online-Shopping zu den Formen des Suchtverhaltens im Internet.
Mehr: