Tabakindustrie

Die Tabakindustrie lebt davon, dass Menschen süchtig sind. Denn ihr legales Geschäftskonzept ist, Tabak und Nikotin zu verkaufen. Und Nikotin hat enorm hohes Suchtpotenzial.

Ihre Aktionärinnen und Aktionären verpflichtet

Seit der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert wird Tabak professionell produziert, vermarktet und verkauft. Derzeit teilen sich den Weltmarkt für Nikotinprodukte fünf große und einige kleinere Konzerne. Die Marktführer sind Aktienkonzerne und ihren Aktionärinnen und Aktionären verpflichtet.

Die Tabakindustrie verdient daran, dass Menschen Tabak und Nikotin konsumieren. Es ist ihr legales Geschäft. Um Geld zu verdienen setzt sie alles daran, dass Menschen weiterhin Nikotin konsumieren. Denn Nikotin macht süchtig.

Tabak ist ein enorm schädliches Produkt. Seit das bekannter wurde, wurde es auch für die Tabakindustrie schwieriger. Denn immer mehr Staaten erließen Gesetze, die den Verkauf einschränken. So gibt es auch in Österreich ein Verbot von Werbung und Sponsoring, Produktregulierung, rauchfreie Gastronomie und höhere Besteuerung. Das entspricht dem Schädigungspotenzial von Tabak.

Die Tabakindustrie kam dadurch in Bedrängnis. Es ist nicht mehr modern, zu rauchen. Es ist nicht mehr gesellschaftsfähig, zu rauchen. Es ist immer weniger normal, zu rauchen. All das verschlechterte das Image der Tabakindustrie enorm.

Aber seit den 2010er Jahren kamen neue Nikotinprodukte auf den Markt: E-Zigarette, Tabakerhitzer und Nikotinbeutel scheint die Tabakindustrie als Marktchance zu sehen.

Verharmlosende Sprache

Auffällig ist dabei die Sprachwahl: Sprachlich werden die neuen Tabak- und Nikotinprodukte stark vom Rauchen abgegrenzt. Es kann der Eindruck entstehen, sie hätten nichts mit dem Rauchen und der klassischen Tabakzigarette zu tun. Die Tabakindustrie nennt das Rauchen von E-Zigaretten „Dampfen“, den Passivrauch von E-Zigaretten „Aerosol“, den Konsum ihrer neuen Nikotinprodukte „Rauchfreiheit“, den Umstieg von Tabakzigarette auf E-Zigarette „Entwöhnung“ und die neuen Produkte insgesamt einen Beitrag zu „Public Health“.

Diese Wortwahl zeugt von großer Abgrenzung gegenüber Tabak, Rauchen und Sucht. Die Tabakindustrie setzt auch damit auf ein neues, nun positives Image.

Von ihrem Geschäftsmodell her hat die Tabakindustrie ein originäres Interesse daran, Nikotinprodukte zu verkaufen. Maßnahmen der Tabakkontrolle wie Rauchverbote, Erhöhung der Steuer oder Werbeverbote sind dafür hinderlich. Denn sie verringern mittelfristig und in effektiver Umsetzung den Konsum. Daher wird häufig versucht, sie zu verhindern, abzuschwächen oder ihr Inkrafttreten zumindest zu verzögern.

Vom Anzweifeln der Wissenschaft bis zu Gerichtsprozessen

Die American Cancer Society nennt sieben weltweite und langjährige Strategien der Tabakindustrie: Untergraben von Wissenschaft, Manipulation von Medien, Öffentlichkeitsarbeit, Verwendung der politischen Agenda für eigene Zwecke, Illusion der Unterstützung von Entscheidungsträger*innen, Lobbying im Prozess der Gesetzgebung, nach Möglichkeit Umgehung von Regelungen und Klagen. Die Organisation Tobacco Tactics listet weltweite Beispiele für diese legalen Strategien auf und analysiert die Argumente der Tabakindustrie. Vor allem das Verklagen von Staaten erhielt viel Aufmerksamkeit und führte zu beispiellosen Prozessen.

Fundamentaler Konflikt

Die WHO stellt bereits mit ihrem 2003 publizierten „Rahmenübereinkommens zur Eindämmung des Tabakgebrauchs“ (FCTC) fest: Zwischen den Interessen der öffentlichen Gesundheit – also des Staates – und der Tabakindustrie besteht ein grundlegender Konflikt. Sie haben gegensätzliche Interessen. Daher wurde in der FCTC in Artikel 5.3 festgelegt, dass Politik und Verwaltung nicht mit der Tabakindustrie kooperieren sollen. Gesundheitspolitische Maßnahmen sollen vor kommerziellen interessen geschützt werden, so die WHO.

Die WHO gab Staaten damit Normen und Regeln in die Hand, um die Praxis der Politikgestaltung zu gestalten und die Einmischung der Tabakindustrie zu minimieren.

Eine Studie befragte international Vertretungen von Politik und Verwaltung zur Bekanntheit und Umsetzung. Verantwortliche für Gesundheitspoltik kannten den Artikel 5.3 und hielten sich daran, Verantwortliche aus anderen Bereichen der Politik jedoch wenig. Die Tabakindustrie dockt jedoch auch bei anderen Politikbereichen als der Gesundheitspolitik an, allen voran bei der Finanzpolitik. Denn diese entscheidet etwa über eine Besteuerung, die dem Gefährdungspotenzial von Tabak- und Nikotinprodukten entspricht.

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