Stigmatisierung suchtkranker Menschen

Menschen mit einer Suchterkrankung sind eine stark ausgegrenzte Bevölkerungsgruppe. Das überträgt sich mitunter sogar auf ihre Angehörigen. Expert*innen fordern ein Umdenken. Auch Sprache kann „stigmafrei“ gestaltet werden.

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Stigmatisierung oft schlimmer als Suchterkrankung selbst

Süchtige Menschen erfahren in der Gesellschaft oft Ausgrenzung. Sie werden sozial „abgeschrieben“. Die Verbindung von Sucht mit Armutsgefährdung, Obdachlosigkeit, psychischen Erkrankungen und/oder Erwerbsarbeitslosigkeit ist höher als in den meisten anderen Bevölkerungsgruppen.

Soziale Ausgrenzung auf Angehörige übertragen

Aber Stigmatisierung trifft manchmal nicht nur den suchtkranken Menschen selbst. Häufig wird die soziale Ausgrenzung auf Angehörige übertragen. Kinder, Partner*innen, Eltern, enge Freund*innen suchtkranker Menschen: Sie alle sind indirekt von der Abhängigkeit betroffen. Unter dem Begriff „Suchtbetroffen“ versteht man daher sowohl den direkt betroffenen Menschen als auch seine Angehörigen.

Aus Sicht der Prävention sind Kinder aus suchtbelasteten Familien eine besonders sensible Gruppe. Daher benötigen sie spezielle Angebote.

Nur Bewusstsein bringt Veränderung

Der Expertenrat „Gesundheit und Resilienz“ der deutschen Bundesregierung betont in einer aktuellen Stellungnahme die Bedeutung der Ent-Stigmatisierung als wesentlichen Bestandteil von Prävention und Gesundheitsförderung und fordert entsprechende Maßnahmen.

Um die Situation zu verbessern, fordert der Expertenrat fordert unter anderem Fort- und Weiterbildungsangebote. Diese sollen speziell für den medizinischen und pflegerischen Bereich sowie in pädagogischen Ausbildungen verankert werden, Selbsterfahrung und Selbstreflexion beinhalten. Nur wer stigmatisierende Haltungen kennt und sich ihrer bewusst ist, kann sie verändern.

In besonders stigma-sensiblen Settings wie Notaufnahmen, Pflegeeinrichtungen, Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste sollten mehr personelle und zeitliche Ressourcen bereitgestellt werden, fordert der Expertenrat in seiner Stellungnahme.

Stigma wird als besonders schlimm empfunden

Psychisch kranke Menschen und Menschen mit Suchterkrankungen sind demnach besonders stark diskriminiert. Sie haben gewissermaßen einen sozialen Stempel. Das Stigma wird von vielen Betroffenen als schlimmer empfunden wird als die Erkrankung selbst. Das betont die Kommission „The Lancet Commission on Ending Stigma and Discrimination in Mental Health“.

Sie bekräftigt das Recht, “anders” zu sein. Darüber hinaus empfiehlt sie Entscheidungsträger*innen in Politik, Verwaltung und sozialen Einrichtungen Strategien, um die Stigmatisierung von Menschen mit psychischer Erkrankung zu reduzieren. Suchterkrankungen zählen in den internationalen Diagnose-Manualen wie ICD-11 zu den psychischen Erkrankungen.

Auch Sprache kann ent-stigmatisieren

Sprache ist ein wichtiger Bereich. Wörter können stigmatisieren oder bewusst ent-stimatisieren. Denn Sprache kann gegenüber suchtkranken Menschen abwertend oder wertschätzend gestaltet sein.

So ist es ein Unterschied, ob vom „Säufer“ oder vom „Alkoholkranken Menschen“ gesprochen wird. Es meint vielleicht dasselbe, drückt jedoch einen anderen Zugang zum Thema Sucht aus. „Junkie“ ist abwertender als „drogenabhängigen Mensch“, „Spieler“ abwertender als „Mensch mit Glücksspielsucht“.

Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen hat einen eigenes Positionspapier dazu herausgegeben. Unter dem Titel „Stigmafreie Bezeichnungen im Bereich Sucht und Suchtverhalten“ zeigt es Fallen stigmatisierender Sprache auf und macht Gegenvorschläge.  So rät sie dazu, in der Sprache die Erkrankung in den Vordergrund zu stellen – etwa durch das Wort „suchtkrank“ statt „süchtig“.

Schwerpunkt in Fachzeitschrift

Dem Thema dem Thema Stigmatisierung widmet sich die Fachzeitschrift SuchtMagazin in ihrer aktuellen Ausgabe (1/2025). Auf 66 Seiten kommen Expert*innen und Menschen mit Suchterfahrung zu Wort. Beispiele aus der Praxis zeigen Handlungsmöglichkeiten gegen die Stigmatisierung suchtkranker Menschen auf.

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