Nikotinbeutel kamen Ende der 2010er-Jahre auf den europäischen Markt. Sie sind Beutel, die man sich in den Mund schiebt. Dort, zwischen Lippe und Zahnfleisch, geben sie Nikotin ab. Das Nikotin wird über Trägersubstanzen wie Salze, getrocknete Pflanzenteile oder Zellulose transportiert. Andere Bezeichnung für Nikotinbeutel sind „Nikotinsäckchen“, „Nikotin-Pouches“ und „Nic-Bags“.
Noch nicht vom Gesetz erfasst
Vom österreichischen Tabak- und Nichtraucherinnen- und Nichtraucherschutzgesetz (TNRSG) sind sie derzeit nicht erfasst. Denn mangels Tabak fallen sie nicht in die Definition „Tabakerzeugnisse“. Und mangels Erhitzung fallen sie nicht in die Definition von „Verwandten Erzeugnissen“, zu denen E-Zigaretten zählen. Auch die EU-Tabakprodukte-Richtlinie regelt Nikotinbeutel bislang nicht.
Diese gesetzliche Situation hat weitreichende Konsequenzen: Nikotinbeutel dürfen beworben werden als ob sie kein Suchtpotenzial hätten. Sie dürfen als harmloses Lifestyle-Produkt vermarktet werden. Für ihre Bewerbung sind auch Begriffe wie „pflanzlich“, „natürlich“ oder „mit frischen Aromen“ erlaubt. Sie werden in Form von Gewinnspielen, Plakaten, Events und Gratis-Proben vermarktet. All dies ist bei anderen Nikotinprodukten nicht legal.
Ihre Inhaltsstoffe müssen nicht so deklariert werden wie jene von anderen Tabak- und Nikotinprodukten. Die Nikotin-Dosis ist nicht nachvollziehbar und nicht geregelt. Sie werden niedrig besteuert und sind daher deutlich billiger und auch durch den Preis attraktiver. Es gibt auch keinen ausdrücklichen gesetzlichen Jugendschutz wie bei anderen Tabak- und Nikotinprodukten.
Wie viele Nikotinbeutel in Österreich verkauft werden, ist nicht erfasst. Denn sie fallen nicht unter das Tabakmonopol und sind frei verkäuflich.
Auch in Umfragen zum Nikotinkonsum kommen Nikotinbeutel bislang nicht vor. Schweden hat bisher die größte Erfahrung mit Nikotinbeutel. Dort werden sie zunehmend von Jugendlichen konsumiert. So gaben in einer Befragung im Jahr 2019 noch 7 Prozent der schwedischen 14- bis 18-Jährigen Konsum von Nikotinbeuteln an, 2020 waren es bereits 19 Prozent. Für Österreich liegen keine vergleichbaren Daten vor.
Anfangs wurden Nikotinbeutel von kleinen Start-up-Firmen erzeugt. Aber mittlerweile haben alle großen Tabak-Konzerne eigene Nikotinbeutel im Sortiment und sehen dies als ein zukunftsträchtiges Produkt. Nikotin in Nikotinbeuteln kann genauso süchtig machen wie Nikotin in anderen Produkten.
Häufig mit Snus verwechselt
Nikotinbeutel sind im Unterschied zu pharmazeutisch geprüften Nikotinersatztherapie-Produkten kein zur Tabakentwöhnung zugelassenes Mittel. Weltweit werden in keinem Land Nikotinbeutel zur Entwöhnung empfohlen.
Häufig werden Nikotinbeutel mit Snus verwechselt. Snus beinhaltet Tabak, ist ein altes Produkt und gesetzlich gänzlich anders geregelt. In der Europäischen Union außer Schweden ist der Verkauf verboten.
Im September 2022 veröffentlichte VIVID – Fachstelle für Suchtprävention über ein Factsheet über Nikotinbeutel für Lehrer*innen, Gesundheitsberufe und andere Fachleute. Für Jugendliche wurde ein eigener Flyer entwickelt.
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